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Alexander-Technik in der Praxis Beobachtung |
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Grundideen der |
Die Alexander-Technik beginnt mit der Beobachtung: Wie gehe ich mit mir um, wenn ich etwas tue? Welche Mittel setze ich für ein gewünschtes Handlungsziel ein? Einfache Aktivitäten wie zum Beispiel Laufen, Hinsetzen, Sitzen oder Liegen dienen zunächst dazu, mit der Qualität des eigenen Gebrauchs in Kontakt zu kommen. Für viele ist die bewusste Selbstbeobachtung etwas Ungewohntes und löst manchmal eine gewisse Befangenheit aus. Im Alltrag ist es normal, nicht an die Art des eigenen Tuns zu denken; die Konzentration liegt fast ausschließlich bei dem angestrebten Ziel. Hier nun gilt die Aufmerksamkeit auch der eigenen Person, wie sie sich auf ein Ziel zubewegt – mit allen Gedanken und Empfindungen vor und während der Aktion. Gewohnheiten sind es nicht gewohnt, angeschaut zu werden. Beobachten bedeutet: nicht zu korrigieren. Alexander-Technik ist ein präventives Verfahren. Es geht nicht darum, "das Richtige zu tun, sondern das Falsche zu lassen." (F.M. Alexander) Wenn wir bereits wüssten, was richtig ist, brauchten wir nichts mehr zu lernen – wir könnten einfach das Richtige tun. Aber vielleicht ist die Korrektur gar nicht so korrekt. Der Zweck der Beobachtung: herausfinden, was eine Person tut, dass eine bestimmte Schwierigkeit entsteht. Es ist relativ leicht, festzustellen, dass etwas nicht in Ordnung ist – schon der Schmerz ist ja spürbarer Hinweis. Aber damit ist noch gar nicht verstanden, wie diese Unordnung verursacht wird. Alle wollen es richtig machen, aber keiner hält inne, um zu überlegen, ob seine Vorstellung von richtig richtig ist. F.M. Alexander Wer mit dieser Beobachtung beginnt, wundert sich, wie wenig er darüber weiß, wie er die Handlungen des alltäglichen Lebens ausführt. Haben Sie eine Vorstellung davon, wie Sie gehen, eine Jacke anziehen, sprechen, rechnen oder telefonieren? „Da denkt man ja normalerweise nicht dran," sagen viele. „Man tut das einfach." Man tut, ohne zu merken, wie man dabei mit sich umgeht. Es fällt gar nicht mehr auf, wie man die Luft anhält, um sich hinzusetzen, den Unterkiefer anspannt, um eine Kiste zu heben, oder die Gesichtsmuskeln verkrampft, um nachzudenken. Durch die Alexander-Technik nimmt man deutlich wahr, wie stark Handeln und Selbstgebrauch von Gewohnheiten geprägt sind. Manche Gewohnheiten erscheinen harmlos und unbedeutend – die Dosis des erlittenen „Schadens" scheint gering. Aber die akkumulierte Wirkung vieler „kleiner" Gewohnheiten, verteilt über Tage, Wochen und Jahre, ist sehr groß. Die negativen Auswirkungen ungünstigen Selbstgebrauchs stellen sich erst allmählich ein. Das grundlegende Experiment, das die Alexander-Technik vorschlägt, besteht darin: Wenn du etwas tun willst, halte einen Moment inne, um zu verhindern, dass Du einfach nur Deine Gewohnheiten wiederholst. Überlege, was Du brauchst, um Dein Ziel zu erreichen. Beispiel für ein Experiment: Wenn ich Sie beim nächsten Mal bitte, Ihren Arm zu heben, warten Sie bitte erst einen Moment, führen sie die Handlung nicht sofort selber aus. Warten Sie bitte, bis ich Ihnen mit meinen Händen einen Impuls gebe, dann können Sie die Bewegung ausführen! Auf einen gegebenen Reiz nicht gleich das Gewohnte zu tun, ist der erste Schritt.Wir wollen zunächst nur verhindern, dass man „automatisch", d.h. unbewusst reagiert. Dann wird durch die Berührung eine neue Koordination vorgeschlagen. Wiederholte Experimente zeigen, dass Gebrauch etwas Veränderbares ist. Die Art, wie ich mit mir umgehe, ist nur eine Art. Es gibt noch andere. Die Experimente dienen der Herausbildung unserer Fähigkeit, nein zu sagen, unseres Spür- und Steuerbewusststeins. Berührung, also der Kontakt der Haut zu einem anderen Körper, spielt in unserem Leben eine wichtige Rolle. Durch Berührung erfahren wir etwas über die anderen Menschen und Lebewesen, über die lebendige Welt außerhalb unserer Körpergrenzen. Gleichzeitig teilen wir den anderen etwas über unseren eigenen Zustand mit. Berührungskommunikation funktioniert so, dass beide Teilnehmer gleichzeitig hören und sprechen. Auch für die Alexander-Technik ist Berührung ein wichtiges Kommunikationsmittel. Durch die Berührung hört der Alexander-Technik Lehrer, was im Körper eines Menschen passiert, während er etwas tut. Er ist darin geschult, aus den Qualitäten des Muskeltonus herauszufühlen, wie die Koordination beschaffen ist, die gerade abläuft: ob sie flexibel und anpassungsfähig oder eher konflikthaft und verspannt ist. Die Berührung dient aber auch dazu, zu sprechen, also durch nuancierte Impulse eine neue Bewegunsidee mitzuteilen. Die Hände des Lehrers deuten die sensorische Qualität an, die mit der neuen Idee verbunden ist. Sich in seinen Bewegungen führen zu lassen, bringt die Chance mit sich, unmittelbar am eigenen Körper eine andere Art der Selbststeuerung zu erleben. Das Experiment wird durch Berührung, jedoch meist auch durch Worte erläutert und durchgeführt. Auch was die Verarbeitung des Wahrgenommenen betrifft, ist der Dialog wichtig. Es gilt, die subjektive Bedeutung einer körperlichen Empfindung bewusst zu machen und zu verstehen. Eine Person, die die Gewohnheit hat, den Rücken übermäßig nach vorne zu drücken („aufrechte Haltung"), wird beiipielsweise das Gefühl haben, mit gekrümmten Rücken dazusitzen, wenn sie zu einer ausgewogeneren Spannungsverteilung gebracht wird. Die neue Koordination macht eine verzerrte sensorische Selbsteinschätzung sichtbar, die Teil des vertrauten Körperbildes geworden ist. Mit der Zeit kann aufgrund der zunächst fremden, ungewohnten Körpererfahrung ein realistischeres Selbstverständnis gebildet werden – wir „lernen vom Körper". Aus der neuen Körpererfahrung wird eine neue Selbsterfahrung, in der sich motorische, psychische und mentale Aspekte verbinden. Dass etwas anders ist, bedeutet ja noch nicht, dass es auch besser ist. Deswegen wird in den Experimenten ein Verständnis dafür entwickelt, nach welchen Kriterien man die eine Reaktionsweise von einer anderen unterscheiden könnte. Die Alexander-Technik möchte kein vorgefasstes Ideal vermitteln, sondern einen individuellen Prozess des Entdeckens und Lernens in Gang setzen. Der Lehrer wird natürlich bestimmte Ideen ins Gespräch bringen, aber nicht, um sie dem anderen beizubringen, sondern um ihm Gelegenheit zu geben, sich bestimmte Fragen zu bewusst zu machen und sie zu beantworten. Ein Beispiel: Ich frage, welche Gelenke wohl zum Einsatz kommen, wenn jemand vom Stuhl aufsteht. Die meisten antworten: „Hüftgelenke und Kniegelenke." Erst nach erneuter Beobachtung wird klar, dass auch die Fussgelenke, das Hals-Kopf-Gelenk, ja sogar die Schulter- und Armgelenke indirekt beteiligt sind. Es wird deutlich, dass wir uns in der Ausführung einer Handlung gerne auf bestimmte Körperbereiche konzentrieren, von denen wir meinen, sie seien besonders wichtig. Wäre es aber nicht denkbar, eine Handlung aus dem Gedanken zu organisieren, dass der ganze Körper daran beteiligt ist? Mit dieser neuen Idee im Kopf geht es dann...zu einem neuen praktischen Experiment. Viele dieser Experimente sind notwendig, um ein neues Bewusststein dafür herauszubilden, wie man leichter, ökonomischer und effektiver mit sich umgehen kann. (Siehe auch unter: Praktische Prinzipien.) Die Alexander-Technik ermöglicht Lernen aus Erfahrung – mit allen Sinnen, mit Verstand und Gefühl. Die neuen Empfindungsqualitäten, die in der geführten Bewegung wahrgenommen werden, sind ein Kontrast zu dem, was die Person sonst im Alltag an sich wahrnimmt. In der Stunde wird oft berichtet, dass das unmittelbare Körpergefühl leichter, unbeschwerter und präsenter ist – so als sei der Körper ein feingestimmtes Instrument, dem alle Wege offen stehen. Das Wohlbefinden entsteht zunächst nicht unbedingt durch die Beseitigung eines bestimmten Symptoms; es ist vielmehr eine Änderung in der Qualität des ganzen körperlichen und geistigen Zustands. Nervöse Zustände und gewohnte Denkweisen treten in den Hintergrund oder lösen sich auf. Nicht alle Probleme sind gelöst, aber die Person kann beginnen, bewusst und konstruktiv, d.h. ohne Angst und Druck, an sich zu arbeiten. Schon nach wenigen Sitzungen beginnt man, seine alltäglichen Reaktionen genauer zu beobachten. Im Unterricht können spezifische Handlungen daraufhin erforscht werden, welche Gewohnheiten gegenwärtig bestehen und welche Möglichkeiten der Neuorientierung sich bieten. Es wird damit experimentiert, wie man schreibt, eine Jacke anzieht, singt oder sein Instrument spielt. Wer im Beruf viel sprechen muss, wird gebeten, einen kurzen Vortrag zu halten. Dabei beschäftigt uns die Frage, wie der Selbstgebrauch auf die Funktionsweise des Organismus und die Handlungsqualität wirkt. Ist die Organisation der Handlung konstruktiv oder konflikthaft? Veränderung geschieht, wenn eine Person die Ursachen ungünstiger Vorgänge wahrnimmt und aus diesem Verständnis neue Entscheidungen trifft. Wahrnehmen – Verstehen – Entscheiden: wer diesen Prozess unter Anleitung einige Male durchlaufen hat, gewinnt damit ein Grundmodell selbstverantwortlichen Lernens. Die Alexander-Technik möchte dem Einzelnen ein praktisches Mittel an die Hand geben, eigenständig den Umgang mit sich selbst weiterzuentwickeln, ein Instrument der Veränderung, das jederzeit zur Verfügung steht. Die Neuorientierung beginnt unter Anleitung, im Gespräch und mit dem Feedback des Alexander-Technik-Lehrers. Die Resultate sind zuerst in der Stunde selbst zu beobachten und werden dann im Alltag vielleicht wieder von Gewohnheiten verdrängt. Doch der Prozess lässt sich erneut in Gang setzen, und mit jeder Erfahrung, dass Veränderung möglich und praktikabel ist, bildet sich ein neues Selbst-Bewusststein, das auch im Alltag beginnt, zu beobachten, zu überlegen, zu experimentieren – und neue Entscheidungen zu treffen. (Siehe Anwendungen zu den Wirkungen des Alexander-Technik Unterrichts) |